Der Sang vom Seismographen

    Wir entwarfen unsre größten
    Würfe, als wir wortlos dösten,
    schulden unsre kühnsten Posen
    einem tatenlosen
    Schlaf.
    Derweil zeichnet einer Zacken,
    konstatiert das kleinste Knacken.
    Es erreicht ihn von werweißwo.
    Einsam schreibt der Seismo-
    graph.
Ist sein Unterfang die Chronik
der Epochen Milch und Honig,
flüssiges Notat sein Streben,
sanft, in Schönschrift: eben,
brav,
scheint sein Wort nicht viel zu wiegen.
Ein stilistisches Vergnügen!
Ungekocht verbleibt selbst Reis roh,
ungerührt der Seismo-
graph.
    Fährt er mehr die harte Schiene,
    macht zum Bösen böse Miene,
    Tanz, der ins Finale mündet,
    weil ihn, was er kündet,
    traf,
    bleibt uns nur, an Gott zu denken,
    uns're Hände zu verschrenken
    und zu seufzen: "Sei's drum, sei's so!
    Denn so schrieb's der Seismo-
    graph.
Daß das Ding dazu im Stand' ist,
zeigt, daß Schicksal redundant ist.
Ist nicht Welt der Welt im Grunde
stets gefügig und de-
vot?
Des Gespürs geheime Kopplung
ans Geschehnis: das ist Dopplung.
Hier wird schon vorweggenommen,
was heraufzukommen
droht.
    Der Scribent ist nicht gefährlich,
    er ist unbestechlich ehrlich,
    trägt kein Pseudonym. er heißt so,
    und zwar heißt er Seismo-
    graph.
    Wie ein Wille der genügte,
    damit alles sich ihm fügte,
    kennt Natur nicht Trug noch Judas,
    frag den Baum, die Kuh das
    Schaf.
Eine kugelige Greisin
hält uns fest samt unserm Freisinn
denkt nichts, weiß nichts, wirkt, was werde,
Leben heißt: die Erde
lebt.
Doch auch, was du denkst, verzeih mal,
gibt es, wenn du`s denkst, längst zweimal,
weil ein Dichter es schon wußte,
denn auch deine Kruste
bebt.